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Zwischenzeitlicher Sprachraum KON- T E X T

"monatliche Auslagengestaltung" von Brandstätter/Heimel/Strahwald

Über das lesende Eindringen in den Gestaltungsspielraum des Dazwischenliegenden, zwischen den Zeilen zu Lesenden, das dem Pluralismus heterogener Elemente eine Schwelle für unbegrenzte Vorstellungskraft bereithält.

Wie alle Dinge unterwegs sind! Wie sie sich in uns flüchten, wie sie sich danach sehnen vom Äusseren befreit zu sein und wiederzuerstehen in einem Jenseits, das wir in uns verschliessen, um es zu vertiefen. Die "monatliche Auslagengestaltung" ist von der Überzeugung getragen, dass die Welt in ihrem Sein nur in Prozessualität zu erfahren ist, sieht Lesen als produktives "Eindringen" in "andere" Gedankenwelten und versteht sich als materialisierte Einladung zum selbstbestimmten, räumlichen Auf- und Übernehmen einer lösungsoffen konzipierten Struktur, die der Vorstellungskraft und dem kreativen Tatendrang des aktivierten Rezipienten "Tür und Tor" zu weitgefasstem Interpretationsmöglichkeiten öffnet. Intention des zahlensprachräumlich artikulierten Projektes ist die Konstitution eines Beteiligungsangebotes zur kontinuierlichen Neudefinition eines unabschließbar gedachten Schwellen- und Übergangsbereiches, der die sich auflösenden Grenzen zwischen Kunst und Leben produktiv macht und sich versteht als kontrollierter Regelverstoß im Projektionsbereich mannigfaltiger Verflechtungen. Gestaltungsspielräume im Dazwischenliegenden zu entdecken, lautet die Devise. Es geht um die Fähigkeit, jenes dazwischenliegende Unfertige zu verfertigen, in das unvereinbare Elemente eingehen, zusammengehalten durch das Ereignis, durch das Gefühl, das sie hervorruft. Experimentieren in einer Welt heterogenen Zusammenspiels aufeinanderprallender Absichten und ungezählter Bewegungsformen: Allmählich verfertigte Gedanken in latentem Gekröse aus einer Vielfalt von Absichten und einer Ansammlung von Versatzstücken als Nullsummenspiel in der aufgeregten Lethargie irrationaler und komplexer Zahlen oder flirrender Sprachfetzen, versammelt in strukturierter Diskontinuität, die dem synthetischen Denken in Zusammenhängen verschrieben, emotionale Barrieren und persönliche Hemmschwellen überschreiten und die offenen Grenzen einer dynamisierten Wirklichkeitssicht zur ökumenischen Illustration einer hybriden Mischung gestalten!

Im Rahmen unseres Beitrages werten wir die Schwelle zum Sprach-Raum auf, der diese aus ihrem gewohnten Zusammenhang löst. Sie wird zur für sich selbst stehenden Heterotopie im Sinne Foucaults, zum einladenden, interpretationsoffenen, interimistischen Aufenthaltsort, einem veränderbaren und gestaltbaren work in progress, das es experimentell zu erkunden gilt und das aufgrund seiner neu gewonnenen Stellung die ursprünglich mit dem Begriff der Grenze verknüpften Schwellenängste gar nicht mehr abzubauen braucht. Ganz mit Inschriften bedeckt, ganz zerfurcht und aufgewühlt sind wir berufen zur Verwandlung, zur Erweckung und Verklärung aller Dinge. Unsere Schwelle der Zukunft steht nun nicht mehr zwischen dem Gegensatzpaar außen - innen, sondern bildet ein selbstreferentielles Geflecht von latenten Bezügen im von zweckrationaler Dualität befreiten Ganzen, in der Kontinuität des offenen Raumes: das gestaltgewordene Zwischen entgrenzt sich zu einer vielschichtig interpretierbaren Schwelle für Zwischendurch, die einlädt zu Kandinskys "Experimenten auf dem Gebiete des Gefühls", Musils Forderung von "Genauigkeit und Seele" verpflichtet. Eigenschaften ohne Ort für den Ort ohne Eigenschaften? Die durch Kunst als "Mutter unserer Gefühle" bespielte Grenze ist leicht und veränderbar geworden, gehorcht auf vielfache Weise durchgängigen Prinzipien, die im Rahmen selbstständiger Auseinandersetzung mit den Bedingungen der verräumlichten Schwellenzone erst erkundet werden wollen und getragen sind von der Vision, eine Sprache zu sprechen, die ohne den Vorsatz besteht, verständlich sein zu wollen.
Die einem kontinuierlichen Prozess der Entwicklung unterworfene Form der Schwelle (fassbare Form für unfassbare Ideen) kann den persönlichen Vorstellungen entsprechend angepasst werden. Das Beteilungsangebot, Gestaltungsspielräume als Potential einer mehr oder weniger geöffneten Durchgängigkeit zu entdecken, bezeichnet nur die vorläufig abschließende Phase, das individuelle Ergebnis im prinzipiell unabschließbaren Vorgang spielerischer Interpretation: Ein lösungsoffen konnotierter Prozess der individuellen Formbildung sucht sich hier den kontinuierlichen Weg seiner fortschreitenden Entwicklung, bleibt in sich unabgeschlossen und kann -aktive Rezipienten vorausgesetzt- immer wieder neu definiert werden.

Die Schwelle in ihrer traditionellen Bedeutung markiert die sensible Grenze des Übergangs zwischen außen und innen, diesseits und jenseits. In einem offenen Europa sind Grenzen in ihrer ursprünglichen Bedeutung obsolet geworden. Grenzen müssen inhaltlich, funktional und v.a. formal überdacht und neu definiert werden. Anstatt gewohnte und tradierte Grenzen völlig abzuschaffen, schlagen wir vor, sie neu zu interpretieren und aufzuwerten zu interkontextuellen Erlebnisbereichen für die Entwicklung und experimentelle Erprobung "zahlreicher Sprachräume", zu Zonen, die das Interesse stimulieren, Neues im Prozess des übertragenden Aufnehmens zu entdecken: Ereignislandschaften für kultivierte Unternehmungslust, wo sich einer aktivierten Seherfahrung Entfaltungsspielräume einer frei auszulebenden Übersetzungstätigkeit eröffnen. Der Grenzübertritt wird nicht mehr als festgeschriebene kulturelle Barriere sondern ein erkenntnisorientiertes und aufnahmebereites Eindringen in ein lösungsoffen bespielbares geistiges Neuland anschaulich und nachvollziehbar als existenzielle Grenzerfahrung im gestaltgewordenen Zwischen, wo produktive Gedankenentwicklung als raumgreifendes Resultat von Beobachtung und Gefühlserfahrung zur wirklichen Möglichkeit gerät.